Elternfluesterer ™ Est. 2006
»Elternstress Fernsehfalle »Prägende Situationen
Eltern können das Fernsehgerät durchaus zur Entlastung einsetzen! Doch Vorsicht, die Fernsehfalle lauert!
↓Kinder gestresster Eltern schauen viel fern!
↓Wenn es vor dem Fernsehgerät Ängste zeigt!
↓Kinder schauen anders!
↓Warum Altersangaben beachten?
↓Fernsehgerät kann den Alltag entlasten!
Wissenschaftliche Untersuchungen in allen Industrieländern belegen eindeutig, dass Kinder von allein erziehenden und berufstätigen Eltern sowie von Eltern in persönlichen und ehelichen Krisen besonders viel Zeit vor dem Fernsehgerät verbringen.
Für Eltern mit wenig Zeit oder Kraft ist es verlockend, dieses so sehr fesselnde Medium als Entlastung zu nutzen. Doch aus der vermeintlichen Erleichterung wird sehr schnell eine Fernsehfalle, die nicht mehr los lässt und sich ausgesprochen negativ auf die Entwicklung der Kinder auswirkt.
Doch mit Bedacht eingesetzt kann dem Fernsehgerät guten Gewissens eine Rolle als Babysitter bzw. Kinderbetreuer zukommen. Bedenken Sie dazu die folgenden Informationen auf dieser Seite!
Sie müssen nicht grundsätzlich dabei sitzen, wenn Ihr Kind fernsieht! Das Fernsehgerät kann Sie also auch zeitlich entlasten.
Doch je jünger das Kind ist und je unbekannter die Sendung, desto näher sollten Sie sich aufhalten. Ihr Kind braucht während und nach jeder Sendung einen erreichbaren Ansprechpartner, der bereit ist zuzuhören.
Hat das Kind keine Gelegenheit, über das Gesehene zu sprechen, so versucht es, die Eindrücke durch weiteres Fernsehen zu verarbeiten oder zu verdrängen. Auf diese Weise wird es unweigerlich zum notorischen Vielseher.
Seien Sie als Gesprächspartner in schnell erreichbarer Nähe, wenn Ihr Kind vor dem Fernsehgerät sitzt!
Kinder erzählen gern, sie bewegen sich auch gern. Also springen sie selbst während spannender Film-Szenen auf, um sich mitzuteilen. Seien Sie dann da; Sie haben dafür Ihre Pause, sobald das Kind wieder zum Gerät eilt.
Ihr Kleines erwartet von Ihnen keine ausführlichen Gespräche über die Sendung; Ihr offensichtliches Interesse macht es schon glücklich. Fragen Sie es nicht aus! Es genügt, wenn Sie es erzählen lassen. Zeigen Sie, dass Sie seine Ängste, sein Mitgefühl, seine Wünsche, sein Erstaunen oder was immer es Ihnen ausdrücken möchte erkennen:
"Das ist für dich aber spannend. / So stark möchtest du auch mal sein. / Du bist ja richtig aufgeregt."
Signalisieren Sie, dass Sie das Ende einer Sendung wahrnehmen. Gerade einsame Kinder und Kinder in belasteten Familiensituationen schalten nicht gern ab und sind von Kanal zu Kanal auf der Suche nach einem Stück heile Welt. Das kann Ihnen nicht gleichgültig sein. Schalten Sie sich dazwischen:
"Der Film ist schon zu Ende? / Hat dir die Sendung gefallen? / Erzähl mir davon! / Was hast du jetzt vor?"
Wenn Sie entdecken, dass das Kind bei einer Sendung ängstlich reagiert, so schalten Sie das Gerät nicht plötzlich gegen seinen Willen ab. Das bewirkt Neugier und heimliches Sehen. Das Kind wird seine Gefühle demnächst vor Ihnen verstecken, weil es fürchtet, dass Sie meckern oder wieder abschalten. Seien Sie in solchen Situationen lieber nah bei ihm, geben Sie ihm Schutz:
"Sollen wir das ausschalten? - Nicht? - Soll ich mich zu dir setzen?"
Werten Sie seine Lieblingssendungen nicht mit Bemerkungen ab wie: "Ach so ein Mist!" oder "Kannst du nicht mal etwas anderes sehen?".
Ihr Kind spürt dadurch, dass es Wünsche hat, die von Ihnen nicht ernst genommen und nicht verstanden werden. Es verliert die Lust, Ihnen etwas zu erzählen. Lassen Sie sich erzählen, warum es Sendungen bevorzugt und andere ablehnt. Versuchen Sie, seine Gefühle zu verstehen statt zu verurteilen:
"Das gefällt dir, dass der vor nichts und vor niemand Angst hat! / Das fandest du doof, wie der sich verhalten hat."
Es bringt Ihnen noch mehr Entlastung, wenn das Kind mit Geschwistern oder im Freundeskreis fernsieht. Einen Großteil Ihrer Rolle als Gesprächspartner nimmt Ihnen dann diese Gemeinschaft ab.
Das gemeinsame Schauen macht zudem mehr Freude; Spannungen werden besser abgebaut:
"Was hältst du davon, dass wir für Samstag einen Videonachmittag organisieren? / Wollen wir für Dienstag Inga zur gemeinsamen Fernsehstunde einladen?"
Bekannte Sendungen, die schon mehrfach gesehen wurden und über die man bereits ausführlich gesprochen hat, können auch die ganz Kleinen allein ansehen.
Zeichnen Sie dazu Sendungen auf. Kinder brauchen Wiederholungen. Es ist doch für Sie und das Kind entspannend, wenn es zu bestimmten Zeiten und Anlässen immer wieder und wieder denselben Film sieht. Je mehr eine Sendung dem Kind bekannt und von ihm verarbeitet ist, desto selbstverständlicher können Sie das Gerät gelegentlich als Kindermädchen einsetzen.
Die Kleinen haben andere Sehgewohnheiten als Erwachsene. Innere Abläufe werden bei Kindern in äußere Aktionen umgesetzt. Für die direkte Verarbeitung der Eindrücke ist es daher wichtig, dass sie sich dabei bewegen, dass sie dazwischensprechen und Geräusche machen dürfen.
Wenn Sie also Ruhe suchen - dann nicht mit dem Kind vor dem Fernsehgerät!
Durch Bewegung und Unachtsamkeit reduzieren Kinder die Vielfalt der Eindrücke. Gut so, dass Kinder nicht gleich beim ersten und auch noch nicht beim zweiten Ansehen eines Fernsehfilmes alles mitbekommen! Lassen Sie es also unaufmerksam sein.
Konzentration und Rücksicht vor dem Ruhebedürfnis anderer lernt es nicht vor dem Fernsehgerät. "Still sitzen, Mund halten!", sollten Sie dann nicht vom Kind fordern.
Wenn Sie selbst Ruhe suchen, so suchen Sie diese bitte nicht gemeinsam mit dem Kind vor dem Gerät.
Ja, das Fernsehgerät kann Babysitter sein; es kann Sie entlasten.
Machen Sie in der Familie frühzeitig und grundsätzlich deutlich, dass es für verschiedene Altersstufen unterschiedliche Fernseh-Angebote gibt. Beschränken Sie den Fernsehkonsum Ihres Kindes auf Sendungen, die speziell für seine Altersstufe konzipiert sind.
Glauben Sie nicht, dass Sie dem Kind einen Gefallen tun, wenn Sie es Filme, die seinem Alter nicht entsprechen, mit ansehen lassen!
Wenn mehrere Kinder unterschiedlichen Alters in der Familie sind, so wird nicht auszuschließen sein, dass auch die jüngeren Sendungen mit anschauen, die nicht für ihr Alter produziert sind. Sprechen Sie aber mit den älteren Geschwistern über die Verantwortung, die sie haben. Seien Sie in Ihren Verordnungen jedoch nicht zu rigoros; durch strikte Verbote erreichen Sie nur, dass die Neugier noch größer wird. Haben Sie dagegen ein offenes Ohr, sodass Ihr Kind Ihnen alles sagen kann und mit Ihnen insbesondere über die Sendungen spricht, die es überfordern und irritieren.
Lassen Sie es nicht zum Vielseher werden!
Viele Kinder verbringen mehr Zeit am Bildschirm als mit altersgerechtem Spiel. Das schadet eindeutig der kindlichen Entwicklung!
Wenn das zentrale Nervensystem eines Kindes derart überfordert wird, sind Verhaltensstörungen wie Aggressionsausbrüche und Konzentrationsmangel sowie Ängste und schlechte Träume die Folge. Streit in der Familie, Überlastung der Eltern verstärken diese Folgen noch.
Bei Vielsehern ist jede einzelne Sendung, die sie weniger sehen, ein sinnvoller Beitrag für die geistige, emotionale und körperliche Entwicklung! Bestimmt das Fernsehen den Tagesablauf Ihres Kindes oder gar das ganze Familienleben, so greifen Sie für eine gewisse Zeit zu drastischen Methoden:
Legen Sie einen fernsehfreien Tag pro Woche ein. / Verzichten Sie in den Ferien und im Urlaub ganz auf das Gerät. / Packen Sie das Gerät in einen Karton im Keller oder auf dem Dachboden und holen Sie es nur zu bestimmten, eingeplanten Sendungen hervor. / Nehmen Sie Sendungen auf und schauen Sie nur Aufgezeichnetes nach Plan.
Das Fernsehen unterhält Ihr Kind und schafft Ihnen Freiräume - das ist gut so!
Doch Glauben Sie nicht, fernsehen könne Ihr Kind bilden!
Geben Sie sich nicht dem Irrtum hin, Fernsehsendungen würden Ihr Kind bilden. Das stimmt nicht und ist nur eine einfache Entschuldigung. Es gibt mittlerweile sehr sichere Erkenntnisse darüber, welchen Beitrag das Fernsehen für die Entwicklung von Kindern leisten kann: Fernsehsendungen ersetzen nicht die persönlichen Erfahrungen; sie ergänzen und vertiefen sie lediglich. Ein Film ersetzt z.B. nicht den Besuch eines Zoos. Hat ein Kind allerdings die Tiere schon gesehen, so kann es durch einen Film weitere Informationen darüber aufnehmen.
Ein Kind muss also in erster Linie spielen, malen, toben, bauen, basteln und sich immer wieder unterhalten. Es muss die reale Welt erleben und erforschen, damit es die Fernsehwelt verarbeiten kann.
Ebenso verhält es sich bezüglich der sozialen Verhaltensweisen: Das Kind lernt sie im direkten Umgang mit Menschen – das Fernsehen verstärkt die im mitmenschlichen Kontakt erworbenen Einstellungen und Verhaltensweisen lediglich.
Es scheint oft so, als seien Kinder, die oft und lange vor dem Gerät sitzen, sprachlich gewandter. Der Eindruck täuscht. Diese Kinder bleiben schon während der Grundschulzeit in ihrer sprachlichen Entwicklung hinter jenen zurück, deren Fernsehkonsum eingeschränkt ist und die mehr Zeit damit verbringen, mit anderen Kindern und Erwachsenen zu sprechen.
Dass andere Kinder auch viel oder gar mehr sehen, darf für Sie kein Argument sein. Die Zahl der durch übermäßigen Fernsehkonsum verhaltensgestörten, körperlich, geistig und seelisch beeinträchtigten Kinder ist zu groß. Reihen Sie Ihr Kind da nicht freiwillig ein; heben Sie es heraus.
Es täuscht, wenn Ihr Kind vor dem Fernsehgerät sehr zufrieden wirkt. Jedes "gesunde" Kind würde das, was es so gern sieht, lieber selbst erleben: die kleinen Abenteuer, den Besuch im Zoo, die Bootsfahrt, das Rumblödeln mit den Eltern usw.
Machen Sie es sich also nicht zu leicht. Fernsehsendungen können lediglich eine Ergänzung zu Ihrer Erziehung sein. Sie als Eltern bleiben der wichtigste Faktor. Wechseln Sie sich mit dem Gerät aktiv ab. Bringen Sie sich immer wieder ein.
Verbote durchzusetzen ist anstrengend. Zumeist haben Sie dazu zu wenig Zeit und Kraft, sodass das Kind im Endeffekt diese Auseinandersetzungen gewinnt. Der ständige spontane Streit um den angemessenen Fernsehkonsum ist nervenaufreibend. Um Ihre Verantwortung wahrzunehmen, bleibt Ihnen nur die vorausschauende, einvernehmliche Planung.
Überlegen Sie am besten schon am Wochenende, welche Sendungen in der kommenden Woche angesehen werden:
"Wir machen einen Plan für die ganze Woche und streichen in der Fernsehzeitung die Sendungen mit dem Textmarker an, die du dir ausgesucht hast."
Beteiligen Sie das Kind aktiv bei der Aufstellung dieses Wochenplanes. Lassen Sie es mit in die Fernsehzeitung schauen und, sobald es lesen kann, auch selbst die Regie der Planung übernehmen. Seien Sie innerhalb des vorgegebenen Rahmens (Dauer und Altersgerechtheit) großzügig bei der Berücksichtigung seiner Wünsche:
"Was sind deine Vorschläge für die nächste Woche? / Welche Beschreibung steht dazu in der Fernsehzeitung?"
Klar und verbindlich geregelt sollte sein, dass Verpflichtungen wie die Schulaufgaben oder die Aufgaben, die in der Familie verteilt wurden, erledigt sind, bevor das Gerät angeschaltet wird:
"Es ist selbstverständlich, dass du erst deine Aufgaben erledigst. Dass wir unsere Regelungen einhalten, ist wichtiger, als dass du jetzt diese Sendung siehst. Wir gehen im Chaos unter, wenn wir uns nicht an unsere Ordnungen halten. Melde deine besonderen Wünsche bitte schon bei der gemeinsamen Planung an. Wenn du Änderungen wünschst, so nenne sie zumindest am Abend vorher. Nein, ich bin nicht bereit, jetzt und so plötzlich eine Ausnahme zu machen!"
Berücksichtigen Sie bei der Planung, dass zwischen dem Fernsehen und dem Schlafengehen eine Pause bleibt.
In weniger als einer halben Stunde kann Ihr Kind das Gesehene nicht verarbeiten. Gemeinsam brauchen Sie Zeit für das Gute-Nacht-Ritual. Der gemeinsame Ausklang des Tages ist wichtiger für Ihr Kind als jede Fernsehsendung.
Belohnung und Bestrafung sind etwas emotional Bedeutendes im Leben des Kindes. Belohnungen hat man immer wieder gern und was entzogen wird, will man hinterher umso mehr. Wenn Sie Sendungen als Belohnung oder Fernsehentzug als Bestrafung einsetzen, geben Sie dem Gerät zu viel Gewicht im Gefühlsleben Ihres.
© Dieser Artikel erschien erstmals im Buch "Gestresste Eltern - Starke Kinder", Frank Maibaum, J. F. Steinkopf Verlag, Kiel 2004. Alle Rechte beim Autor.